Das Datum 8. Mai erinnert an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa und das Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Es ist nicht nur ein zentrales historisches Datum der europäischen Geschichte, sondern auch ein eindeutig positiv besetztes. In diesem Jahr ist es ein besonderer Tag, denn die Niederlage des nationalsozialistischen Deutschland liegt nun 80 Jahre zurück. Wie sollen und wollen wir Deutschen mit diesem Tag umgehen: Sollte es vielleicht ein arbeitsfreier nationaler Feiertag wie in manchen anderen Ländern werden, wie es gelegentlich gefordert wird ?
Bei dieser Frage will ich nicht eingehen auf rein provozierende radikale Positionen, die mit der Kapitulation als Schande für das deutsche Volk argumentieren oder auf der anderen Seite des politischen Spektrums sich über die Niederlage eines „Scheiss Deutschland“ freuen, das sie generell und auch heute hassen. Stattdessen gehe ich von einem Feiertag aus, wie er in der Praxis aussieht: Das Wetter sollte schön warm sein und es sollte nicht regnen, der Tag sollte geeignet sein für Ausflüge, Biergärten und Eiscafes. Beim Datum 8. Mai drängt sich da ein Vergleich zum 17. Juni auf, dem früheren Tag der Deutschen Einheit. Entstanden als Erinnerung an dramatisches Geschehen und als Mahnung blieb nach Jahren für die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht mehr davon übrig als ein Ausflugstag; für viele Politikerinnen und Politiker wurde es der Tag eines mehr oder weniger geschätzten Pflichtauftritts. So einen Feiertag kann niemand wollen.
Emden 1945: Die Herrschaft der Nationalsozialisten hinterlässt eine zerstörte Innenstadt
Der 8. Mai symbolisiert die Niederlage eines menschenverachtenden Regimes. Er bedeutete für viele Opfer der Nationalsozialisten endlich das Ende von Raub, Gewalt und Sterben, wortwörtlich die Befreiung, und er steht für Millionen Menschen, die das Leiden nicht überlebt haben. Der 8. Mai steht für nie erlebte Zerstörung und Brutalität. Er ist gleichzeitig aber auch für viele deutsche Frauen und Männer ein Symbol für Verlust und Vertreibung, Leiden und Tod, für Menschen, die selbst nicht zwingend in persönliche Schuld verstrickt waren. Der 8. Mai steht ebenfalls dafür, dass viele Täter, die an der Terrorherrschaft beteiligt waren, sich ihrer Verantwortung entziehen konnten. Und er ist schließlich in Teilen Deutschlands und Europas Ausgangspunkt für eine neue Diktatur.
Wenn heute der 8. Mai zuerst einmal als ein Tag der Befreiung gesehen wird, ist das eine richtige und wichtige Sichtweise, aber es gibt doch weitere Aspekte, die an diesem Tag nicht vergessen werden dürfen. In vielen Reden, Kommentaren und anderen Medienbeiträgen finden sich mit dem heutigen Abstand zum Geschehen auch Gedanken, die unterschiedliche und wohl auch widersprüchliche und negative Seiten des 8. Mai beleuchten. Denken wir nur an Themen wie den Verlust der Heimat für viele Deutsche im Osten Europas oder an die die Vergewaltigungen deutscher Frauen bei Kriegsende. Das sind keine Gründe für Feierlichkeiten.
Der 8. Mai ist auch für Deutschland und für Deutsche kein Tag des Trauers, sondern ein Tag der Freude ! Er ist aber kein Tag für ungetrübtes Feiern. In anderen Ländern mag das mit Recht so gesehen werden, aber bei uns muss an diesem Tag differenziertes Erinnern und Gedenken stattfinden, muss in viele Richtungen ehrlich gesprochen, nachgefragt und reflektiert werden. Dabei werden auch immer wieder neue unangenehme Wahrheiten ans Licht kommen, und sie müssen ausgehalten werden: zum Beispiel bei der Aufarbeitung der Geschichte der beiden deutschen Staaten in den letzten 80 Jahren wie auch bei Erzählungen in vielen, vielen Familien über ihre ganz persönliche Einbeziehung in die deutsche Geschichte. Auch für die beiden großen Kirchen, für Konzerne und Firmen wie auch für viele Vereine in allen Lebensbereichen gilt es, sorgfältig auf die Verstrickungen in der Vergangenheit zu schauen.
Der 8. Mai ist ein Tag für stille Freude und Nachdenklichkeit.
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